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Was ist Genozidleugnung?
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„Die Leugnung von Völkermorden erfolgt in der Regel als Abstreiten oder Minimieren der Untaten der eigenen ideologischen Seite oder der eigenen Volksgruppe. Türken können etwa den Genozid von 1915 an den Armeniern leugnen, der ihnen von heute durch die Türkei drangsalierten Kurden gerade vorgehalten wird, wobei letztere den Anteil von Kurden am Ausmorden jener Armenier nicht weniger heftig leugnen mögen als ihre jetzigen türkischen Gegner.

Wer einen Völkermord leugnet, befindet sich in einem merkwürdigen moralischen Paradox. Einerseits steht er mit dem Abstreiten im moralischen Konsens der Verurteilung von Völkermorden. Andererseits schützt er mit dem Abstreiten die Mörder und plädiert damit für die Straflosigkeit dieses Völkermordes. Kaum etwas vergiftet die Atmosphäre zwischen Täter- und Opfervölkern stärker als die Leugnung. Während letztere ihre Toten beweinen, behaupten erstere, dass es diese Toten gar nicht gibt, womit sie die Leidgeprüften auch noch als Wahnsinnige hinstellen, was deren Verbitterung noch steigern muss.“
(Gunnar Heinsohn: Lexikon der Völkermorde. Reinbek: Rowohlt, 1998. S. 237 f.)

Nicht immer hat indessen die Türkei die an ihren armenischen und anderen christlichen Bürgern während und nach dem Ersten Weltkrieg begangenen Staatsverbrechen geleugnet. Einer kurzen Phase der Bereitschaft zur Strafverfolgung der für die im Ersten Weltkrieg für die Vernichtung der Armenier politisch Verantwortlichen sowie der Umsetzer dieses staatlichen Vernichtungsprogramms in den Jahren 1919 und 1920 folgte unter der Regierung des türkischen Nationalistenführers und späteren Begründers der Republik Türkei „Mustafa Kemal“ die Rechtfertigung dieser Verbrechen. Wie alle Völkermordideologen rechtfertigte auch die politische Elite des türkischen Nationalstaates die Tötung von 3,5 Millionen Christen osmanischer Staatszugehörigkeit, darunter die Vernichtung von zwei Dritteln der armenischen Bevölkerung des Osmanischen Reiches, als Selbstbehauptungsnotwendigkeit. So äußerte ein Abgeordneter im ersten Parlament der türkischen Republik, unter Herunterspielung der Dimension des Verbrechens:

„Ihr wisst, dass das Problem der Deportation die Welt in Aufruhr versetzte und wir alle als Mörder bezichtigt wurden. Wir wussten, bevor das getan wurde, dass die Weltöffentlichkeit dies nicht hinnehmen und uns ihren ganzen Hass und Abscheu entgegenbringen würde. Warum haben wir uns damit abgefunden, als Mörder tituliert zu werden? ... Das sind Dinge, die nur geschehen sind, um etwas, was heilig und mehr wert ist als unser Leben, zu sichern: die Zukunft des Vaterlandes.“
(Zitiert nach: Taner Akcam: Armenien und der Völkermord: Die Istanbuler Prozesse und die türkische Nationalbewegung. Hamburg, 1996. S. 11)

Zugleich bemühten sich aber bereits Mustafa Kemal und seine Einparteienregierung, den Genozid als Gründungsverbrechen der türkischen Republik möglichst schnell und vollständig in Vergessenheit geraten zu lassen. In seiner „Stellungnahme zum Völkermord an den Armeniern“, der von der sechsten Vollversammlung des Weltkirchenrates (24. Juli bis 10. August 1983) in Vancouver angenommen wurde, heißt es dazu: „Das Schweigen der Weltöffentlichkeit und bewusste Bemühungen, selbst historisch erwiesene Tatsachen abzuleugnen, stellen für das armenische Volk, die armenischen Kirchen und viele andere eine ständige Quelle des Schmerzes und der wachsenden Verzweiflung dar.“
(Zitiert nach: Armenien - Tragödie ohne Ende. CCIA-Dokumentation 1984/1, S. 55)

Als bloßes Schweigen angesichts der armenischen Massenbewegung für eine internationale „Anerkennung“ des Völkermords ab 1965 - dem 50. Jahresgedenken an die Opfern von 1915 - und vor allem angesichts von über 200 Anschlägen militanter Untergrundorganisationen der armenischen Diaspora auf türkische Einrichtungen und diplomatische Vertreter der Türkei im Zeitraum 1973 bis 1985 nicht mehr möglich war, reagierten die türkische Regierung und staatskonforme wissenschaftliche und sonstige Einrichtungen der Türkei mit dem Versuch, publizistisch die „Völkermordlüge“ der Armenier zurückzuweisen und die historische Faktizität des Verbrechens zu bestreiten: „Wir können davon sprechen, dass es als Reaktion auf diese armenische Offensive ab Mitte der siebziger Jahre einen türkischen ‘offiziellen Sektor’ gab, hauptsächlich um die Universitäten herum organisiert, dessen Aufgabe darin bestand, die ‘armenische Lüge’ zu widerlegen.“
(Taner Akçam: Armenien und der Völkermord: Die Istanbuler Prozesse und die türkische Nationalbewegung. Hamburg, 1996. S. 11)

Die Genozidforschung ist sich darüber einig, dass die „propagandistische Nachbereitung“ von Völkermord, zu der die Rechtfertigung, das Verschweigen sowie die Leugnung gehören, einen integralen Bestandteil des Verbrechens und dessen letzte Stufe darstellt:

„Die Nachbereitung des Verbrechens wäre als die letzte Stufe der Relativierung und Negation und ebenso als Teil des Verbrechens anzusehen. Wer also heute (bei geistiger Zurechnungsfähigkeit) behauptet, dass es keine NS-Vernichtungslager oder keinen Genozid an den Armeniern gegeben habe, beteiligt sich objektiv an der Fortsetzung der Täuschungsmanöver, die bereits während des Verbrechens aus Tätersicht notwendig waren. Mit anderen Worten: Die genozidale Logik ist weiterhin in Kraft. Das hat mit dem hochheiligen Recht auf freie Meinungsäußerung überhaupt nichts zu tun, denn Komplizität an Massenmordverbrechen wird durch Verfassungsgarantien nicht zur Bürgertugend. Der Straftatbestand könnte also lauten: Mitgliedschaft in einer genozidalen Vereinigung...“
(Uwe Makino: Leugnung als konstitutiver Bestandteil moderner Genozidverbrechen. „Journal of the Institute of Cultural Science, Chuo University , No. 37, 2000, S. 15 f.)

In ihrem genozidalen Propagandafeldzug gegen historische Tatsachen und juristisch-moralische Ansprüche seitens der Nachfahren der Völkermord-Überlebenden erfuhr und erfährt die offizielle Türkei Unterstützung durch einige Historiker und Turkologen in den USA wie Bernard Lewis, Stanford Shaw, Justin McCarthy oder Heath Lowry, die ihrerseits in Gerichtsverfahren für diese Leugnung verurteilt oder in heftigen akademischen Auseinandersetzungen für ihre pro-türkische Parteinahme kritisiert wurden. Diese gerichtliche oder kollegiale Kritik ist berechtigt, denn gerade Wissenschaftler sind zu besonderer Sorgfalt verpflichtet:

Historisch tritt Leugnung besonders bei Genoziden auf, die im Zuge kolonialer Vernichtungsfeldzüge in Afrika - Kongo (1885 bis 1907) und Namibia (Deutsch-Südwest, 1904-1907) - sowie im Osmanischen Reich begangen wurden. Auch einhundert Jahre nach der Vernichtung von 60.000 der damals insgesamt 80.000 Angehörigen des Stammes der Herero und 10.000 von 20.000 Nama-Angehörigen hat sich beispielsweise die Bundesregierung nicht zu einer offiziellen Entschuldigung bei den Nachfahren durchringen können - aus Angst vor daraus ableitbaren Wiedergutmachungsforderungen. Die während der Umwandlung des multiethnischen und multireligiösen osmanischen Vielvölkerstaates in eine monoethnische Türkei der Türken begangenen Staatsverbrechen an den christlichen Ethnien des Osmanischen Reiches mit insgesamt 3,5 Millionen Opfern haben sämtliche türkischen Regierung seit 1923 verharmlost, gerechtfertigt bzw. geleugnet und bestritten. Hierbei besteht ein enger Zusammenhang zwischen Straflosigkeit und Leugnung. Erst die strafrechtliche Ahndung von Völkermord seit 1946 hat zunehmend bewirkt, dass den Überlebenden und ihren Nachfahren wenigstens die letzte Stufe des Verbrechens, die Leugnung, erspart blieb.

Quelle: agaonline

 

 

 



   












  
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