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Pfarrer Bitris Ögünc (Shushe) ist von uns gegangen
Am 26. Januar 2014 verstarb  Abuna Kashisho Bedrus Ögünc (Shushe). Der Suryoye Kultur-und Sportverein in Augsburg trauert um einen großen  Priester und Patriot unsers Volkes.
Wir möchten seiner Familie und der syrisch-orthodoxen Kirche sowie dem Suryoye Volk  unser herzliches Beileid aussprechen.

Auszüge aus der Biographie von Priester Bitris Ögünc:
Bitris Ögunc kam 1937 in Midyat (Tur Abdin) zur Welt Der Vater war von Beruf Kaufmann und handelte mit Stoffen, die er in der eigenen Weberei produzierte.  Der Vater war Diakon in der Kirche Mar Schimuni und vertrat dort ab und zu den Mesner. Im Alter von fünf Jahren begann Abuna Bitris, die Liturgiesprache kthobonoyo zu lernen. Abuna Bitris erinnerte sich, dass der Vater ihn in der Kirche auf die Schultern nahm, damit er besser die Messe verfolgen konnte. Da er ein fleißiger Schüler war, durfte er bald in den Altarraum eintreten. Als er mit sieben in die Schule kam, ging er morgens und abends zum Gottesdienst. Nach der Schule besuchte er regelmäßig den Religionsunterricht in der Kirche. Als seinen wichtigsten Lehrer bezeichnete er Abuna Ibrahim Aksan. Er sei ihm Berater, Vater und geistiger Mentor gewesen.

Bitris Ogunc stieg sehr bald in der hierarchischen Struktur der syrisch-orthodoxen Kirche auf, die er als „neun Stufen wie die Engel im Himmel" bezeichnet und welche die einzelnen Stufen vom Ministrant bis zum Bischof umfassen: mit fünf Jahren Ministrant, dann Leser, mit 15 Jahren Sänger und 1956, also mit 19 Jahren, Subdiakon. Der Erzbischof von Mardin wollte ihn kurze Zeit später zum Priester weihen. Doch Bitris Ogunc war nicht einverstanden.

Bitris war seit ca. 1953 als Lehrer tätig, zunächst in Hah, ab 1954 in Midyat in der Kirche Mar Schimuni. Er hatte nach der Schule keinen Beruf erlernt, sondern lebte von den Mieteinkünften des elterlichen Anwesens und besuchte weiterhin den Unterricht in der Kirche. Als Lehrer verdiente er nun Geld und konnte seine eigenen Ideen - so scheint es mir - besser verwirklichen, als in der Funktion des Priesters. Außerdem habe er nicht das richtige stimmliche Organ gehabt, um im Tur Abdin als Priester bestehen zu können.


Pfarer Bitris Ögünc (Shushe)

Er berichtete von den Neuerungen, die er mit Rückendeckung des damaligen Bischofs und gegen den Willen des Pfarrers der Mar Schimuni Kirche einführte. „Zum Beispiel, die Frauen oder Mädchen durften nicht zum Altar gehen. Ich habe alles frei gelassen. Und der Bischof sagte: lassen wir alle gehen.Was anscheinend bis dahin undenkbar war, Mädchen im Altarraum, wurde von Bitris Ogunc propagiert und durchgesetzt. Er gab den Mädchen und Jungen Sprachunterricht, lehrte sie in Geschichte und - wie er sagt - Nationalität, schrieb Theaterstücke und begann, einen Englischkurs einzurichten. Englisch hatte er sich im Selbststudium beigebracht. Daneben nahm er Kontakt zur katholischen und evangelischen Kirche auf, um auch dort die Kinder zu unterrichten und um ökumenische Gottesdienste durchzuführen. 

Seine Familie, allen voran die Eltern, hätten seine Aktivitäten Zeit ihres Lebens unterstützt. Der Vater suchte ihm 1956 eine Braut, die Tochter des Mesners, aus. An Maria Lichtmess 1957 fand
die Trauung statt. Im Zeitraum von 20 Jahren bekam das Paar neun Kinder, von denen fünf im Tur Abdin und vier in Deutschland geboren wurden.
Anwerbung als Gastarbeiter und Priesterweihe 1969, also mit 32 Jahren, war für Bitris Ogunc - wie sich im Nachhinein zeigt - die Zeit im Tur Abdin vorbei und es bahnte sich das endgültige Leben in der Diaspora an. Die Gründe, warum er die Heimat verließ, mögen vielschichtig gewesen sein. Eine Rolle mag gespielt haben, dass der ältere Bruder bereits seit 1966 in Garmisch als Gastarbeiter Geld verdiente und auch Bitris Ögunc sein Glück im Westen versuchen wollte. 1967 hatte ihn laut Dr. Helga Anschütz ein dubioser Tourist mit dem Versprechen nach Deutschland gelockt, ihn für die Übersetzung syrischer Manuskripte mit der Finanzierung eines Studiums und der Möglichkeit der Promotion zu entlohnen. „Diese glänzenden Zukunftsaussichten verführten unseren malfono (Lehrer, d.V), den Versprechungen zu glauben und seinem Gönner nach Deutschland zu folgen", berichtet Dr. Helga Anschütz im Mitteilungsblatt des Mar Gabriel Vereins.30 Diese Episode blieb jedoch erfolglos und Bitris Ogunc kehrte nach über zwei Monaten wieder in die Türkei zurück. Dort stellte er einen Antrag auf Gastarbeit und reiste schließlich im Dezember 1969 erneut in Deutschland ein. Kurz zuvor war auch sein jüngerer Bruder nach Deutschland gekommen. 

Zunächst arbeitete Bitris in einer Glasfabrik in der Nähe von Saarbrücken. Auf Betreiben von Dr. Helga Anschütz und Prof. Aßfalg bekam er schließlich ein Stipendium, um am Goethe-Institut Deutsch zu lernen. Frau Dr. Anschütz war es auch, die schließlich die Anregung dazu gab, ihn zum Pfarrer und Sozialbetreuer der Christen aus dem Orient in Europa zu machen. 1971
wurde Bitris Ogunc in Midyat zum Priester geweiht. Am 13.3.1971 reiste er mit seiner Frau und mit zwei seiner Kinder nach Deutschland aus. Er bekam eine Wohnung in der Nähe von Augsburg und richtete mit Hilfe der Caritas, die auch sein Gehalt bezahlte, ein Sozialbüro ein. „Bis dahin", so Dr. Helga Anschütz, „waren die syrischen Christen entweder in eine katholische oder evangelische Kirche gegangen oder hatten sich damit begnügt, einmal im Jahr - meistens zu Ostern .

Von 1971 bis 1978 war Bitris Ogunc der einzige Priester der „ersten syrisch-orthodoxen Gemeinde in Deutschland, zu der anfangs auch die Suryoye in den Niederlanden, Osterreich und der Schweiz gehörten". Dies hatte zur Folge, dass die Gottesdienste in den einzelnen Städten und Gemeinden nur unregelmäßig stattfanden. Um den Suryoye die Möglichkeit zu geben, trotzdem die sonntägliche Messe zu hören, wurden 1974 mit Hilfe der evangelischen Kirche (maßgeblich Dr. Miksch und Pfarrer Horst Oberkampf) Schallplatten mit der
syrisch-orthodoxen Messe produziert und an alle Familien verteilt. Bitris Ogunc reiste quer durch Europa und kam nur alle 20 Tage nach Hause. Er war nicht nur zuständig für die kirchlichen Aufgaben wie Gottesdienste, Taufen oder Hochzeiten usw, sondern wurde zum Ansprechpartner in allen Lebensfragen wie Wohnraum- und Arbeitsbeschaffung, Behördengänge, Ubersetzungen oder ganz persönliche Probleme.

Sein Wirken als Priester in der westeuropäischen Diaspora schien für Bitris Ögunc von Anfang an mit Problemen behaftet gewesen zu sein. Durch eine Vielzahl von Gründen  erklärte er 1991 seinen Austritt aus der syrisch-orthodoxen Kirche, kehrte jedoch wieder zurück. Er wurde mit offnen Armen empfangen und diente bis zu seinem Lebensende seiner Mutterkirche in Augsburg.

Quelle: Religiöse Identität - Syrisch-orthodoxe Christen in der Diaspora von Chistiane Lernbert-Dobler
  
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