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Die Aramäer
Heimat und Herkunft
Die Heimat der Aramäer  ist Mesopotamien, das als Wiege der Zivilisation in die Menschheitsgeschichte eingegangen ist. Die Nördliche Grenze markiert die Landschaft am Taurusgebirge und südlich der Persische Golf. Die Berge des Irans grenzen am Osten und im Westen sind es die arabische Wüste und die Hochebenen Syriens.

Ihre Heimat rufen die Aramäer in ihrer aramäischen Muttersprache  „Beth-Nahrin (Zwischen den Strömen, Haus der Flüsse). Mesopotamien ist heute nur noch als geographischer Terminus geläufig. Die Staaten Türkei, Syrien, Irak und Iran teilen sich gegenwärtig das Land.
 
Die Aramäer sehen das heutige Syrien , den Libanon, die Südosttürkei und den Irak als primäre zentrale demographische Siedlungsgebiete an und erachten sie folglich als Heimat.
Gegenwärtig ist die Kultur der Aramäer vor allem im Tur Abdin (Südosttürkei) und in den nordirakischen Gebieten von Zakho, Dohuk, Erbil sowie verstärkt in der Provinz Mossul (Dashto d`Niniveh/Niniveh Ebene), im Nordosten Syriens in den Gebieten entlang des Khabur (Djezire) und in den westlichen Städten wie Damaskusund Aleppo weit verbreitet.
 
Die Ahnen der Aramäer trugen wesentlich zu den ersten Schritten der Zivilisation bei. In Mesopotamien schufen sie u.a. Errungenschaften wie bspw. die modernen Gesellschaftsformen. Der erste Zentralstaat, das organisierte Staats- und Gesellschaftswesen, die Rechtsprechung, das Militärwesen,  die Baukunst und Architektur, die Bewässerungsanlagen und die Kanalisationen trugen dazu bei, dass in jener Geschichtsphase das Kind „Mensch“ in der Wiege der Zivilisation zu Atmen begann. Die Werke in der Literatur und in den Wissenschaften Astronomie, Mathematik, Medizin) markierten eben diesen Wendepunkt der Menschheitsgeschichte.

Christianisierung
Die Christianisierung Mesopotamiens, die Zugehörigkeit zur semitischen Rasse, die Liebe und Identifikation zur aramäischen Sprache und das große kulturelle Erbe der Hochkulturen des Zweistromlandes beschleunigten nach dem Zusammenbruch der verschiedenen Staaten und Imperien der Vorväter, die Entwicklung der Identität der Aramäer.
Als eine der ersten Gemeinschaften konvertierte die aramäisch-sprechende Bevölkerung zum Christentum, aus dem die Kirche von Antiochien hervorging. Dadurch konnten sie sich als Volk ausdrücken und ihre Sprache, Tradition und Kultur erhalten und neue Impulse geben. Mit der Christianisierung setzen sich die Begriffe „Suroye, Suryoye“ durch.
 
Bis zum 4. Jh. wurden viele Lehreinrichtungen, Klöster und Universitäten errichtet. Die heute noch bestehenden Klöster Mor Gabriel, Deyrul Zafaran, Mar Qayoma, Mar Quryakos, Mar Khanana und Mar Matay zählen zu den ältesten christlichen Einrichtungen. Die bekannten Schulen von Antiochien, Gundhishapur (Beth Lappat), Qennishrin, Nisibin und Edessa (Urhoy) galten als Zentren der Theologie und Philosophie.
 
Innerhalb dieser Mauern reiften bekannte Reformer, Theologen und Gelehrte wie Mar Afrem der Syrer, Rabbula, Mar Jakob von Nisibin, Mar Jakob von Serugh, Severus Sebokht oder der Patriarch Mar Dionysios Tell Mahre heran, die die christliche Lehre und Philosophie  beeinflusst haben. Die apostolischen Kirchen verbreiteten das Christentum bis nach Indien und China. Im südindischen Kerela bestehen noch heute blühende christliche Gemeinden der AramäerTradition.
In der Phase der Abbaassidenherrschaft schufen viele Kirchenväter und Gelehrte eine beachtliche Zahl von literarischen Errungenschaften. In diese Zeit fällt auch die „Syrische Renaissance“ das „Goldene Zeitalter der Syrer bzw. Suryoye“, die primär zwei bedeutende Gelehrten geprägt haben: Gregorius Bar Hebreus und Michael der Grosse.

Aramäisch: Die Sprache der Aramäer

Das Aramäische, das uns auch als die Sprache von Jesus Christus von Nazareth überliefert ist, gehört zusammen mit dem Hebräischen und Arabischen der semitischen Sprachfamilie an.
 
Ihre Schriftform weißt starke phönizische Einflüsse auf. Älteste Zeugnisse stammen aus dem 1. Jahrtausend bzw. dem 9. Jh. v. Chr.. Verbreitung fand sie vor allem im westlichen Teil Mesopotamiens. In der Zeit des assyrischen Königs Tiglat Pilessat III. setzte sich die Aramäische Sprache als internationale Handels- und Diplomatiesprache durch und verdrängte somit das Akkadische, Babylonische und Assyrische mitsamt den üblichen Dialekten.
 
Während der Persischen Herrschaft über Mesopotamien, der Achämenidezeit, wurde das Aramäische (Reichsaramäisch) zur offiziellen Reichssprache, der „lingua franca“, erklärt. Im Zuge dessen verbreitete sich die Sprache von Kleinasien und Ägypten bis zum Indus. Das Aramäische verdrängte auch die in Palästina Hebräische Sprache. So ist es auch nicht verwundernd, dass Teile des Alten Testaments in aramäischer Sprache verfasst wurden.
 
Während der Verbreitung des Christentums machte das bekannte Reichs- und Altaramäische eine Christianisierung durch und in der Stadt Edessa (Urhoy, Urfa) entwickelte sich im 3. Jh. aus dem Ostaramäischen Zweig eine Hochsprache heraus, die als Liturgie- und Literatursprache weit verbreitet wurde: Das Syrische. Sie ist heute die Liturgiesprache der verschiedenen Kirchen syrischer bzw. Suryoye Tradition.
 
Vor dem Hintergrund der Eroberung Mesopotamiens durch die arabisch-muslimischen Volksgruppen wird das Syrische im 8. Jh. n. Chr. vom Arabischen verdrängt. Die Mongolenstürme über die Siedlungsgebiete der Aramäer reduzierten das Aramäische zu versprengten kleinen Sprachinseln.
 
Infolge der geographischen Teilung der Region und den christologischen Streitigkeiten, bildeten sich dementsprechend zwei Hauptdialekte der Mundsprache des Neuostsyrischen heraus: Westsyrisch (Turoyo) und Ostsyrisch (Madenhoyo, Swadaya). Das Neuwestaramäische wird heute auch noch im syrischen Maalula gesprochen.
Das Neuwestsyrische wird hauptsächlich von der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien, der Maronitischen Kirche und der Syrisch-Katholischen Kirche von Antiochien als Liturgiesprache gepflegt. Das Ostsyrische ist die Liturgiesprache der Alten Apostolischen Kirche des Ostens, der Chaldäischen Kirche von Babylon und der Assyrischen Kirche des Ostens. Das Sprachgebiet des Westsyrischen ist heute die europäische Diaspora, der Südosten der Türkei (TurAbdin) und sowie die Provinz Hasake in Syrien. Das Ostsyrische wird heute vor allem im Nordirak, in den Mittelstädten der Niniveh Ebene sowie in der amerikanischen und australischen Diaspora gesprochen.
Auch die Schreibweise passte sich der Teilung an. So spricht man von der nestorianischen oder chaldäischen Art der Ost-Aramkäer und dem Serto, dem Schreibcharakter der West-Aramäer. Allen gemeinsam ist das "Aramäische Estrangelo", die schönste und älteste Schriftform.

Die Kirchen der Aramäer


Die Aramäer gehören heute neun verschiedenen Kirchen bzw. Konfessionen an: syrisch-orthodoxe Kirche von Antiochien, syrisch-katholische Kirche von Antiochien, chaldäische Kirche von Babylon, assyrische Kirche des Ostens, alte apostolische Kirche des Ostens, melkitisch-griechisch-orthodoxe Kirche von Antiochien, melkitisch-griechisch-katholische Kirche von Antiochien, syrisch-maronitisch-katholische Kirche von Antiochien und die syrisch-evangelische Kirche.

Völkermord und Emigration

Die Aramäer überstanden im Laufe der Jahrhunderte der Willkür des römischen Kaiserreiches, die Verfolgungen durch das byzantinische und persische Reich der Sassaniden, die einfallenden Ströme des Islams, die verheerenden Mongolenstürme und die Repressalien im Osmanischen Reichs. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten sie sich als kleine, aber sehr zerrissene Religions- und Sprachgemeinschaft am Leben erhalten.
Nachdem die christlichen Balkanvölker durch den Krieg von 1912 ihre Unabhängigkeit erlangten und das osmanische Reich auch in Afrika und Arabien durch die Aufstände der arabischen und nicht arabischen Völker Gebietsverluste erleiden musste, war das Reich nun auch in Mesopotamien, Thrazien und in Anatolien in die Enge getrieben. Aus der Befürchtung heraus, dass sie weitere territoriale Verluste hinnehmen würden, zogen sie 1915 den Plan zum Völkermord an die Christen in Mesopotamien und Anatolien heran.
Zwischen den Jahren 1914 bis 1923 wurden mehr 500.000 Aramäer verschiedener Konfessionen systematisch und organisiert massakriert. Mehr als zweidrittel der Gesamtbevölkerung in den Hauptsiedlungsgebieten Nordmesopotamiens und im Iran wurden bis auf Ausnahme von kleinen Bevölkerungsteilen hin dezimiert. Dieser Völkermord ist bis heute relativ unbekannt geblieben und wird vom Nachfolger des Osmanischen Reiches, der Türkei, nach wie vor vehement bestritten.
 
Nach dem Ersten Weltkrieg zogen die europäischen Siegermächte die Grenzen im Mittleren Osten nach machtpolitischen Interessen, ohne die Bedürfnisse der dort lebenden Minderheiten zu berücksichtigen. Das internationale Tauziehen endete schließlich am 24. Juli 1923 mit der Ratifizierung des Lausanner Abkommens. Im Zuge dieses Vertrages wurde die Heimat der Aramäer geteilt, die Bevölkerung von einer Staatshoheit zur anderen verschachert und die Rechte des indigenen Volkes minimalisiert und auch in den späteren Verträgen aufs äußerste eingeschränkt.
 
Im Rahmen des Lausanner Abkommens verpflichtete sich die Türkei jedoch in der Sektion III hinsichtlich des Schutzes der Minderheiten, in den Artikeln 37 - 45, die Rechte der „nicht-muslimischen Völker“ verfassungsgerecht zu gewährleisten. Folglich garantierte die Türkei im international gültigen Vertrag, dass die Aramäer ein gleichberechtigtes Leben in kultureller und gesellschaftlicher Hinsicht führen können. Dennoch wurden jene Rechte für „religiöse Minderheiten“ innerhalb des türkischen Staatsgebietes von Beginn des Inkrafttretens des Vertrages bis heute den Aramäern verweigert. Nach staatlicher Interpretation des Abkommens werden aktuell nur die Armenier, die Griechen und die Juden als nichtmoslemische Minderheiten aufgeführt. In der Türkei sind die Aramäer , wie in nahezu allen Heimatländern, nicht als eigenständige Volksgruppe anerkannt.
 
Die periodisch abwechselnden und teilweise seit Jahrhunderten andauernden Krisen im Nahen- und Mittleren Osten, und die damit einhergehende Verfolgungs- und Diskriminierungspolitik waren die wesentlichen Schubfaktoren für die Emigration.
 
Die Auswanderung aus dem Kerngebiet hatte zufolge, dass gegenwärtig mehr Aramäer in den USA, Europa, GUS-Staaten, Australien, Lateinamerika, Neuseeland und in vielen anderen Ländern leben, als in den Staaten des Mittleren Ostens.

Die Aramäer in der Diaspora (Schätzung)


Schweiz

Frankreich

Deutschland

Holland

Schweden

Österreich

Belgien

USA

Australien










17000

20000

140000

25.000

95.000

7.000

20000

190000

30.00



Aktuelle Lage

Um die Pflege und Erhaltung der Kultur, Sprache und Religion zu gewährleisten, haben sich die Aramäer in der Diaspora zu Gemeinden, Vereinen und Einrichtungen zusammengeschlossen und Dachverbände gegründet.

Während in der Diaspora Identitätsprobleme zu einem Erosion des sozialen und kulturellen Lebens innerhalb der Institution Familie und der Gemeinden geführt haben, ist in den Heimatländern bis heute die Gründung von kulturellen, sozialen und politischen Einrichtungen und Institutionen entweder staatlich ganz untersagt oder mit vielen schwierigen Problemen verbunden.

Zerrieben zwischen den Blöcken islamischer Fundamentalisten und türkischer, kurdischer und arabischer Neonationalisten sind heute besonders die Aramäer im Irak und in Syrien vom Verschwinden bedroht.

Sie durchleben im Moment im Nahen Osten, vor allem im Irak und in Syrien, durch die Angriffe des Islamischen Staates eine Tragödie die Ihres gleichen sucht. Mehr als 140.000 Christen sind aus der Nineve-Ebene vertrieben worden und leben im Nord-Irak , in Ihrer eigenen Heimat, als Flüchtlinge in Notunterkünften.


Aramäer in Augsburg


Anfang der 60er Jahren kamen die ersten Suryoye (Aramäer) aus der Heimat nach Augsburg. Diese Menschen kamen eigentlich hauptsächlich nur zum Arbeiten nach Deutschland. Sie wollten Geld ansparen und dann wieder in die geliebte Heimat zurück kehren, jedoch kam es anders als gewollt.

Statt der Rückkehr kamen immer mehr Suryoye (Aramäer) -Familien nach Augsburg. Sie haben in dieser Stadt Ihre neue Heimat gefunden und sind bis heute hier geblieben. Die Suryoye haben sich in der deutschen Gesellschaft über einen kurzen Zeitraum voll integriert.

Ende der 70er Jahre entstand in Augsburg eine der größten Suryoye (Aramäer) Gemeinden in Deutschland. Es entwickelte sich das Bedürfnis ein Kultur- und Sportverein zu gründen, um untereinander sein zu können. Es wurden mit der Zeit vier Kultur- und Sportvereine in Augsburg gegründet.

Mitte der 90er Jahren wurde ein Grundstück von der Gemeinde erworben, um die Syrisch-Orthodoxe Marienkirche zu bauen.


Bild: Vertreter der Aramäer in Augsburg mit Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl

Die Zahl der Suryoye (Aramäer) in Augsburg ist mittlerweile durch die Emigration der Chaldäer aus dem Irak auf über 5000 Personen angewachsen.
Wir haben zwei Geistliche Pfr. Aho Bulut und Pfr. Gabriel Tezel) die die Gemeinde betreuen, sowie einen Lehrer (Malfono Yilmaz Bulut), der die aramäische Sprache und Schrift und den syrisch Orthodoxen Religionsuntericht, an staatlichen Schulen unterrichtet.

Suryoye Kultur-und Sportverein Augsburg e.V

Der Vorstand

  
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